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  • Vorurteile

Hintergründe von Vorurteilen

Das Projekt hat einen direkten und einen indirekten Nutzen für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen im Allgemeinen, sowie einen unmittelbaren Nutzen für die Referenten aus eigener Erfahrung. Zugleich hat es aber auch eine mehrfache Wirkung bei den nachfragenden Institutionen, also im Falle der Schulen im Allgemeinen und für gefährdete, oder als Angehörige betroffenen Jugendliche im Besonderen. Insofern gibt es ...

  • Gesundheitspolitische Aspekte,
  • Bildungspolitische Aspekte,
  • Rehabilitative Aspekte und
  • Präventive Aspekte.

Problem der Stigmatisierung (gesellschaftspolitische Aspekte)

Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen sind so verbreitet, dass die Zahl derer, die darunter leiden, beträchtlich ist. Angst und sozialer Rückzug sind die Folgen. Vorurteile gefährden individuelle therapeutische Fortschritte, die Ressourcen der Familie und die strukturelle Weiterentwicklung der Psychiatrie. Besonders betroffen sind Patienten mit den Diagnosen schizophrene und affektive Psychose (hier besonders manisch-depressive Erkrankung). Beide Diagnosegruppen betreffen jeweils mindestens 1-2% der Bevölkerung. Bezieht man die Angehörigen mit ein, sind fast 5 Millionen Menschen in Deutschland direkt oder indirekt von Stigmatisierung betroffen.

Einseitige Medienberichte, aber auch frühere Fehleinschätzungen der Psychiatrie halten Vorurteile aufrecht, die wissenschaftlich längst widerlegt sind: Die Patienten seien "gefährlich, unheilbar, unberechenbar"; ihre Persönlichkeit sei "gespalten", die Eltern Schuld an der Erkrankung. Gewissermaßen als Vorurteil der Zukunft droht die sehr vereinfachte Sicht auf Psychosen als eine reine Hirnstörung. Die Wissenschaft alleine ist überfordert, Vorurteilen entgegenzuwirken. Glaubwürdig und überzeugend ist sie nur gemeinsam mit Patienten und Angehörigen. Praktische Erfahrungen belegen die einschlägige Forschung: Vorurteile lassen sich weniger durch schlaue Texte und professionelle Vorträge, als durch individuelle Geschichten und persönliche Begegnungen beseitigen.

Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen - als Träger und potentielle Opfer von Vorurteilen – bezogen auf eigene Besonderheiten und in ihrer Rolle als Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, dass sie Korrekturen leichter zugänglich sind als Erwachsene. Dafür sind verschiedenen Settings zu nutzen.


Reintegration und Empowerment (rehabilitative Aspekte)

Antistigma-Arbeit hilft, Vorurteile zu reduzieren, soziale Räume zu erhalten, zu entwickeln oder wiederzugewinnen und so therapeutische Erfolge abzusichern. Davon profitieren Patienten bzw. seelisch Behinderte, Angehörige und professionell Tätige gemeinsam und zwar im Allgemeinen und sehr direkt. Für die unmittelbar Beteiligten bedeutet die Mitarbeit soziale Anerkennung und Wertschätzung.


Das Leben zum Thema machen (pädagogische/kulturelle Aspekte)

Jugendeinrichtungen sollen nicht nur beschäftigen, Schulen nicht nur Wissen vermehren, beide Kinder- und Jugendeinrichtungen wollen und müssen auch Problemlösungsstrategien erweitern und auf das Leben vorbereiten. Unter Jugendlichen sind Vorurteile gegenüber psychisch Kranken zum Teil immer noch so verbreitet, dass potentiell gefährdete junge Menschen schon im Vorhinein stigmatisiert und ausgegrenzt werden, oder beides befürchten und als Selbststigmatisierung vorweg nehmen.

Unsere besondere Konzeption der Antistigma-Arbeit erlaubt dem Lehrer, Erzieher oder Sozialpädagogen, mit den Jugendlichen auch über Lernziele, mögliche Lebenskrisen und zur Verfügung stehende Ressourcen zu sprechen und damit auch eigenen und fremden Vorurteilen entgegenzuwirken.


Toleranz und Sensibilität (präventive Aspekte)

Unsere Arbeit will durch angemessene Aufklärung und vor allem die direkte Begegnung mit krisenerfahrenen Menschen Toleranz im Umgang mit anderen und Sensibilität im Umgang mit sich selbst fördern. Beides sind wichtige Voraussetzungen für die eigene seelische Gesundheit. Der präventive Nutzen liegt darin, dass Jugendliche, die direkt von psychosewertigen Erfahrungen in eigenen Lebenskrisen oder indirekt als Angehörige betroffen sind, auf schonende Weise vorsichtig entlastet werden. Sie erleben, dass über diese Themen angemessen berichtet und gesprochen werden kann, ohne dass sie sich selbst zum Thema machen müssen oder dazu gezwungen werden.

Zur Zeit wird viel und kontrovers über Nutzen und Risiken von Früherkennung und die Vergabe von Symptomlisten an pädagogische Fachkräfte diskutiert. Die Arbeit unseres Projektes fördert indirekt die Sensibilisierung für die eigene Situation und meidet das Risiko, gefährdete Jugendliche zu stigmatisieren und die Rolle des Lehrers oder Sozialpädagogen zu missbrauchen. Der Vortrag von Erfahrenen als Referenten mildert die eigene Angst und eröffnet neue Möglichkeiten der Hilfe.