Journal
An dieser Stelle finden Sie (chronologisch geordnet) Beiträge zu Veranstaltungen und Nachrichten.
Kulturtipp: Hans Fallada "Jeder stirbt für sich allein"
Hans Fallada (1893 - 1947) wurde mit 18 in die Psychiatrie eingewiesen, nachdem der versuchte Selbstmord in einem fingierten Duell mit einem Schulfreund, bei dem dieser starb, scheiterte. Schwere Depressionen und Selbstmordgedanken waren seine ständigen Begleiter, denen er mit Alkohol und Morphium zu entfliehen versuchte.
Seine ersten Schreibversuche waren erfolglos. Er hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser, doch um die Sucht zu finanzieren wurde er wiederholt straffällig. In Hamburg fand er seine große Liebe und geriet in ruhigere Fahrwasser.
Er beschrieb in seinen Werken eindringlich das Leid der kleinen Leute und endlich fand er in den 30er Jahren in Ernst Rowohlt seinen Verleger. "Kleiner Mann – was nun" wurde ein Welterfolg. 1944 scheiterte seine Ehe und er versuchte seine Frau im Streit zu erschießen. Eingewiesen in die Psychiatrie schreibt er dort sein Meisterwerk "Der Trinker".
An seinem Lebensende schreibt er in "Jeder stirbt für sich allein" über das wahre Schicksal des Berliner Ehepaares Hampel, das hingerichtet wurde, weil sie Anti-Hitler-Postkarten verteilt hatten. 65 Jahre später kommt das Buch erneut zu Weltruhm. Kritiker begeistert diese einzigartige Chronik des Lebens in der Nazizeit. Ein lesenswertes Buch gegen das Vergessen.
Den Originaltext "Chronist der Krise" von Misha Leuschen in Hinz&Kunzt 09/2011 finden Sie hier.
Marsha Linehan, Begründerin der DBT, bekennt sich zu eigener Erkrankung
Marsha Linehan hat die Dialektisch Behaviorale Therapie der Borderline- Persönlichkeitsstörungen (DBT) entwickelt, um Menschen zu helfen, die mit den damals üblichen Therapien nur schwer erreichbar waren. Sie war eine der ersten, die Achtsamkeit zur Grundlage ihrer Therapie gemacht hat: nicht nur Klienten, sondern auch Therapeuten müssen Achtsamkeit erlernen und praktizieren. Die DBT konnte zeigen, dass Borderline-Klienten nicht "untherapierbar" sind, sondern dass ihre Bedürfnisse in der Therapie meist nicht genügend verstanden und erfüllt wurden. Linehan fordert, dass der Therapeut den Klienten so akzeptiert, wie er jetzt im Augenblick ist, dass er sich also nicht zuerst ändern muss, um akzeptiert zu werden. Die Therapie müsse Hoffnung vermitteln, dass jeder Mensch die Ressourcen hat, ein zufriedenes Leben zu führen, und dass man die dazu notwendigen Fähigkeiten lernen kann. Diese Fähigkeiten stehen im Zentrum der Therapie – mit dem Ziel, dass der Patient neue und befriedigendere Erfahrungen machen kann.
Neben ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre hat Marsha Linehan die therapeutische Arbeit mit Klienten nie aufgegeben. Sie ist eine warmherzige und empathische Therapeutin und verkörpert in hohem Maße die Eigenschaften, die sie als die beiden Säulen der Therapie bezeichnet:
"Compassion"/tiefes Mitgefühl und "Wisdom"/intuitives Wissen, das sich aus dem Zusammenwirken von Gefühl und Verstand ergibt, um die richtigen Mittel zur richtigen Zeit einzusetzen.
Am 23.6.2011 hat sich Marsha Linehan in einem Interview der New York Times zu ihrer eigenen Geschichte als psychisch Erkrankte bekannt: Mit 17 sei sie als „schizophren“ diagnostiziert worden – das war vor 51 Jahren; doch aus heutiger Sicht sei die Borderline-Diagnose richtiger. "I was in hell". Die Basis ihrer Theorie – radikale Selbst-Akzeptanz – hat sie sich mühsam selbst erkämpft. Auf die Frage, warum sie sich jetzt outet, antwortet sie: "So many people have begged me to come forward, and I just thought – well, I have to do this. I owe it to them. I cannot die a coward". (Sie möchte anderen Mutmachen; sie schulde es denen, die ähnliches durchgemacht haben; sie möchte nicht sterben, ohne sich erklärt zu haben.)
Marsha Linehan erweist sich mit ihrem Outing als Pionierin der EXperienced-INvolvement-Bewegung.
Marlies Busch, Thomas Bock
Den englischen Orginalartikel finden Sie hier.
Kulturtipp: Thalia Theater – "Andersen. Trip zwischen Welten"
Wer kennt und liebt sie nicht – die Märchen von Hans Christian Andersen. Aber wer war der Mensch hinter dem genialen Märchenerzähler? Er war ein Phantast – in seinen Werken, seinen Märchen und auch im realen Leben. "Andersen. Trip zwischen Welten" lautet der Titel einer Inszenierung am Hamburger Thalia Theater, die ein Projekt von Stefan Pucher (Regisseur des Jahres 2005) ist. Ein Stück, das den Übergang zwischen Realität und Fiktion bewusst verschwimmen lässt.
Vielleicht kennen Sie Andersens Märchen "Der Mann ohne Schatten" auf das das Theaterstück aufbaut. Ein Mann verliert seinen Schatten, der später als eigenständige Person zurückkehrt und von seinem alten Herrn Besitz zu ergreifen versucht. War Andersen selbst der Mann mit oder ohne Schatten? War er gar schizophren oder bipolar? Die Frage mag überraschen, aber Leben und Kunst war bei Andersen nicht zu trennen. Er schuf sich seine eigene Wirklichkeit. Die Vielfalt der Persönlichkeit, die Dynamik des eigenen Schattens, das Hin und Her von Märchenwelt und grauem Alltag, von Grandiosität und Selbstzweifel wird mitreißend und mitfühlend in Szene gesetzt. Lassen Sie sich verzaubern und erinnern, erden und hinreißen von einem großartigen Bühnenbild mit vielen Videoelementen, einem Ensemble in Höchstform und genialer Live-Musik.
Der nächste Termin ist Sonntag, der 08.05.2011, 19:00 - 21:00 Uhr.
Weitere Infos erhalten Sie auf der Website des Thalia Theaters.
Radio-Beitrag über "Irre menschlich"
NDR-Journalist Jörn Roes berichtet über den Verein "Irre menschlich". Zum Audiobeitrag geht es hier.
„Am Anfang war die Beleidigung.“